Eintrag vom 01.03.2012

Umkehrbarkeit und Gefühle

Ich bin emotional zur Zeit sehr aufgewühlt. Dies hat nichts mit dem Forschungsthema zu tun, sondern spielt sich auf einer anderen Ebene ab. Dennoch greift es in mein Spielen ein.

Ich habe mir heute die Aufgabe gestellt, den Kontakt zwischen Körper und Cello zu spüren  und mich von dieser Verbindung anregen zu lassen: das Cello als Verlängerung des Körpers, nicht als äußeres Objekt.

Beim Spielen ist mir aufgefallen, dass sich, wann immer es mir geglückt ist, meine negativen Gefühle verringerten. Ich konnte das Spielen genießen und mich dabei in den Klang, das Spielgefühl und das Hören hineinbegeben. In dieser Situation stellte ich keine künstlerischen Ansprüche an die Improvisation. Auf der Bühne würde sich der Qualitätsanspruch wahrscheinlich leichter mit dem verbundenen Spielgefühl vereinbaren lassen. Alleine zu Hause ist die Qualität des künstlerischen Endproduktes jedoch nicht immer das Ziel.

Reflektion über Umkehrbarkeit und Neutralität

In einer starken emotionalen Verfassung, bei der Gedanken alles andere überlagern und Wut die Stimmung färbt, ist die Handlung nicht umkehrbar. Es gibt nicht genug Möglichkeiten. Die Fähigkeit, wählen zu können und zu wissen, dass ich mich im Hier und Jetzt befreien kann, ist mir bei dieser Übung deutlich geworden. Ich habe versucht, mich während des Spielens in mein Körpergefühl hinein zu versetzen. An den Stellen, an denen ich mich ganz neutral mit der Musik vereinen konnte, bekam ich ein sehr geschmeidiges Gefühl. An den Stellen, an denen ich meinen Ärger spürte und dennoch weiter gespielt habe, war es anstrengender. Ich konnte hin und her gehen und wählen. In der Improvisation sind die Wahrnehmung und die Identifikation mit dem Tun stärker als bei der Interpretation von Stücken. Bewegungsqualität in Kombination mit Ärger kenne ich eher vom Interpretieren. Es könnte sein, dass ich meine eigenen Gefühle dabei nicht so gut ordnen kann. Vielleicht trenne ich dann nicht. Ich spiele ein Stück und spüre etwas ganz anderes. Meine Empfindungen fließen nicht direkt in das Spiel ein. Ich stehe daneben. Dadurch werden die Spannungen in die Muskeln übertragen. Dann kann es zum Beispiel passieren, dass ich etwas Lustiges spiele, aber mein Körper trotzdem festhält. Ich kann dann zwar die Töne spielen und ungefähr den Charakter treffen, aber ich  habe kein absolut verbundenes Gefühl. Um die Töne und den Charakter umzusetzen, muss ich meinen Körper kontrollieren können.

In der Übungseinheit heute gelangte ich auf eine andere Ebene. Ich konnte das Gefühl loslassen und damit spielen, dass es zwar vorhanden war, ich jedoch nicht darauf zugreifen musste. Dadurch musste ich mich körperlich nicht verstellen, sondern konnte in einen musikalischen Charakter gehen, ohne dabei etwas anderes spüren zu müssen. Das jeweilige Grundgefühl macht sich körperlich bemerkbar. Heute musste ich nicht geschmeidige Muskeln produzieren, obwohl ich eigentlich durch Wut und Ärger gerade feste Muskeln hatte. Ich bekam die Möglichkeit, mich dadurch, dass ich die Wahrnehmung auf den Moment richtete, von Wut und Ärger zu trennen, und sie nicht mehr in meinen Muskeln zu empfinden. So stand mir die ganze Bandbreite an Möglichkeiten zur Verfügung.  Hier am Schreibtisch empfinde ich in gewisser Weise auch ein Hin und Her. Ich bin immer wieder abgelenkt. Dann komme ich jedoch zurück und kann beginnen, das Thema zur Lernaufgabe werden zu lassen.

Kann ich jetzt weiter schreiben, auch wenn mich etwas beschäftigt?

Ist es möglich, die Gefühle nicht in den Körper zu setzen?

Wenn ich es schaffe, den Körper einfach nur zu spüren: Wo sind meine Schultern? Wie atme ich?

Ich kann dann wählen und muss nicht fest sein. Tue ich das gleiche wenn ich in fester Muskelverfassung ein Stück spiele? Oder benutze ich dann oberflächliche Mittel, um eine professionelle Technik zu produzieren?

 

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