Forschungsgespräch 04

Inhalt

Einleitung

1. Bedeutung des Improvisierens für die künstlerische Entwicklung

2. Lernprozess und Umgang mit Fehlern

3. Herausforderungen im Lernprozess

4. Auswirkungen auf schwierige Stellen

5. Musikalische Aussage

6. Musizierpraxis

7. Wahrnehmung und Grenzen in der Herausforderung

8. Kontrolle der Lockerheit

9. Tempoimpulse

10. Menschliche Fähigkeiten

11. Technische Extremsituationen

Einleitung

Datum: 08.10.2011

Persönlicher Kontakt zur Gesprächspartnerin

GP 4 nahm in der Zeit von 2007-2009 an mehreren Improvisationsseminaren bei mir in der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover teil. Sie war zu der Zeit Studentin mit Hauptfach Klavier in der Studienrichtung elementare Musikpädagogik. Im November 2009 fand eine Abschlusspräsentation eines zweijährigen künstlerisch/pädagogischen Improvisationsprojektes im Rahmen des „Erxlebenstipendiums“ statt, bei der sie mitwirkte. Die Frauenbeauftragte der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Birgit Fritzen, führte mit den Projektteilnehmern Interviews durch. Bereits während der Seminare, und verstärkt in diesem Interview äußerte GP 4, dass sich ihr Spiel durch die Beschäftigung mit Improvisation stark erweitert und verbessert hatte. Sie hat sich im Sommer 2011 entschieden Improvisation als Masterstudium an der Hochschule Felix Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig zu studieren.

Theoretical Sampling

Die oben beschriebenen Fakten haben mich bewogen GP 4 zu einem Gespräch zu bitten. Ich habe bei ihr ähnliche Phänomene beobachtet, wie bei GP 3 (FG 3), und ich war interessiert, ob die Gründe, die Beobachtungen und Motivationen vergleichbar sind.

Allgemeines zum Gespräch

Ähnlich wie bei GP 3 war ich sehr berührt von der Aussage, dass GP 4 durch das Improvisieren Klavier spielen gelernt hat. Offenes und genaues Hören zieht sich als Thema durch das Gespräch.  GP 4 spricht sehr viel über die verschiedenen Ebenen, die der Lernprozess beim Üben von Improvisation haben kann und der immer eine größere Funktion hat, wie die konkrete Vorbereitung auf eine spezielle Herausforderung.

Auszüge aus dem Gespräch

1. Bedeutung des Improvisierens für die künstlerische Entwicklung

C. E.:

Vielleicht können wir damit anfangen, dass du erzählst, was dich am improvisieren reizt. Du fängst ja jetzt auch dieses Studium an und das hat ja einen Grund.

GP 4:

Gute Frage (lacht in sich hinein) Das finde ich schwierig, weil irgendwie ist Improvisation ja so vielseitig. Man kann ja eigentlich überhaupt nicht sagen, was überhaupt Improvisation ist. Da streiten sich ja auch die Wörter. Genauso bin ich auch mit mir im Streit, jetzt zu wissen, warum ich das mache. Zuerst mal kann ich einfach sagen, dass ich durch Improvisation überhaupt zum Klavierspielen gekommen bin, so pauschal gesagt. Ich habe selber früher so viel für mich gespielt, ausprobiert und Sachen nach Gehör gespielt und habe mir Begleitungen ausgedacht. Ich hatte dann auch Improvisationsunterricht. An dem Musikgymnasium, wo ich war, hatte ich immer jede Woche eine halbe Stunde Improvisation. Das war irgendwie immer so ein kleiner Teil. Das Klavierspiel, das Literaturspiel, das war so das Hauptelement und Improvisation nur so nebenbei. Als ich zum Studium gekommen bin, hatte ich das ja bei dir im Seminar in der Hochschule. Da habe ich das viel intensiver erlebt mit der freien Gruppenimprovisation, und das hat mich dann schon ziemlich fasziniert. Ich hatte vorher auch noch ein bisschen falsches Bild von Improvisation. (…) Da habe ich erst gemerkt, dass es richtig zu einem Ergebnis führen kann.  Man erlebt selber so einen Lernprozess.

2. Lernprozess und Umgang mit Fehlern

C. E.:

Kannst du den beschreiben?

GP 4:

Ein Prozess; nicht so auf ein Stück bezogen, so wie man das sonst hat, wenn man Literatur spielt; sondern an den eigenen Fähigkeiten zu arbeiten. Also, wie man zusammen spielt, wie man aufeinander hört, und wie man auch selbst mit seinem Instrument umgeht. Ich habe das dann auch daran gemerkt, als ich dann so überhaupt an mein Klavierspiel heran kam. Ich hatte früher immer ganz viel Angst vor Fehlern, vor schwierigen Stellen, und irgendwie. Ich meine bei Improvisation hat man das ja nicht, weil man ja nicht weiß, wo die schwierige Stelle ist, oder man vielleicht gar nicht merkt, dass man eine schwierige Stelle spielt. (lacht) Und man kann eigentlich gar keine Angst haben.

C. E.:

Das ist interessant: Man weiß nicht wo die schwierigen Stellen sind.

GP 4:

Oder man hat sie schon längst gespielt.

C. E.:

Oder man weiß nicht, dass gleich eine kommt.

GP 4:

Ja eben und ich finde, das hat auch wieder so eine Rückwirkung gehabt, dass man ähnlich auch an das Literaturspiel rangeht. Ich finde, das hat auch ganz viel so mit der eigenen Wahrnehmung zu tun. Ich höre mich ganz genau in ein Stück oder was ich spielen will hinein und das brauche ich ja beim Improvisieren noch viel mehr. Und der Nachteil ist halt beim Literaturspiel, dass das immer so geplant ist. Beim Improvisieren ist manchmal fast gar nichts geplant. Und das ist auch wichtig. Das ergänzt sich halt so. Und jetzt zu mir persönlich, warum ich mich für das Studium entschieden habe: Es hat mich halt immer schon gereizt und ich finde diese Herausforderung, die finde ich toll. Man weiß irgendwie nicht was kommt und man übt ja im Endeffekt nicht nur das Improvisieren. Man macht Übungen, um die vielleicht dann für das Improvisieren zu verwenden. Gerade das finde ich so spannend, dass man in diesen Übungen so konsequent sein muss und da halt schon mit seinen Schwächen konfrontiert wird. Das ist nicht immer leicht. Aber ich finde das schon irgendwie gut.

C. E.:

Es ist eine Konfrontation. Im Stück wirst du auch mit deinen Schwächen konfrontiert, aber in der Improvisation kannst du dir sagen, O.K. jetzt kann ich an meinen Schwächen arbeiten, aber ich muss das nicht auf die Bühne bringen.

GP 4:

Ja, (…) das Arbeiten ist wirklich an den Fähigkeiten und beim Literaturspiel ist es immer auch an dem Stück selber. Man will auch ein Stück bis zur Perfektion kriegen. Das Problem ist auch, man hat viel zu viele Vorbilder, die das halt alle auch schon tausendmal abgenudelt haben. Und beim Improvisieren ist das halt immer wieder offen. Da gibt es ja kein Endergebnis in dem Sinne.

C. E.:

Wobei es natürlich schon Improvisatoren gibt, die bestimmte Vorbilder haben. Aber das bezieht sich häufig mehr auf eine bestimmte Stilistik oder eine bestimmte Spieltechnik und natürlich nicht auf ein spezielles Stück.

GP 4:

Aber man kann es nicht reproduzieren und sagen: genau so muss das dann klingen. Man fängt immer wieder irgendwie bei sich selber an.

3. Herausforderungen im Lernprozess

GP 4:

Und insgesamt finde ich, muss man sich auch selbst immer wieder die Herausforderung suchen. Und man sieht es ja auch an dem Studium, oder ich vermute es, oft ist ja nur wenig Zeit da und vieles kann man nur so anreißen. So Ansatzweise irgendwie bearbeiten und wie viel man da draus macht oder wie oder wie viel man sich auch weiter entwickelt, das ist dann so sehr von einem selbst abhängig. Und vor allem bei Improvisation finde ich das schwieriger, man muss sich selbst da richtig so motivieren und Aufgaben stellen. Und die auch so stellen, dass man sich selbst damit auch quält. Das finde ich eigentlich noch die größte Herausforderung, weil man ist ja gerne auch bequem und spielt dann die Sachen, die man schon kann, oder die besonders gut klappen, oder so.

C. E.:

Deshalb ist mein methodischer Ansatz, dass ich mit diesen sehr starken Einschränkungen arbeite. Und wenn ich dann eine Aufgabe stelle, wo du aus einem sehr begrenzen Material so viele Möglichkeiten, wie nur geht, rausfinden sollst, dann muss das auch bei mir nicht immer ein Kunstwerk sein. Es gibt da auch andere Meinungen zur Methodik der Improvisation.

GP 4:

Also klar, aber das heißt ja, dass man also immer ständig wieder eine neue Aufgabe braucht. Das man im Prinzip fast nichts wirklich immer wieder wiederholen sollte beim Üben, oder sich irgendwie festfahren sollte, sondern dass man sich immer wieder neue Aufgaben stellen muss.

C. E.:

Oder die Aufgaben müssen so gestrickt sein, dass du immer wieder neue Möglichkeiten und Facetten finden kannst. Vielleicht ist es auch so, dass man in dem Moment eine neue Aufgabe braucht, wo man in einer alten Aufgabe nichts mehr finden kann.

4. Auswirkungen auf schwierige Stellen

C. E.:

Kannst du noch mal mehr sagen, was das Improvisieren mit deinem Klavierspielen gemacht hat?

GP 4:

Also ich hatte vorhin gesagt, dass ich mich vorher oft so auf schwierige Stellen konzentriert hatte und die natürlich halt auch geübt hatte und das so berechnet und gesagt: O. k., jetzt kommt diese Stelle, und jetzt brauche ich diese Einstellung so ungefähr, vom Körper und von meiner Haltung und alles, wie ich es halt geübt habe. Wenn man das so abruft, dann war es auch oft so mit einer Angst verbunden: Hoffentlich klappt das und natürlich hat es dann auch öfter nicht geklappt. Und beim Improvisieren hatte ich ja gesagt, dass das nicht so ist, weil man die Musik nicht aufgeschrieben hat. Die entsteht in dem Moment und dadurch kann man nicht irgendwie auf schwierige Stellen warten. Die kommen einfach so oder auch nicht. Das heißt, ich muss mich viel mehr so auf die Musik konzentrieren. Einfach in das reinhören, was gerade passiert und was jetzt halt gleich kommt. So auch schon ein bisschen vorausplanen vielleicht in einem gewissen Sinne. Und es hat sich so ein bisschen unbewusst auch, glaube ich, übertragen auf das allgemeine Klavierspielen. Ich habe einfach gemerkt, auch wenn ich z. B. ein Stück anfange in der Prüfung oder was weiß ich, dass ich mich halt darauf konzentriere, wie klingt das erst mal. Überhaupt nicht, was kommt da jetzt für eine Stelle, sondern wie klingt das und wie will ich das jetzt spielen. Natürlich klappten dann auch manche Sachen nicht, aber das war dann erst mal egal. Ja, das hat für mich nicht mehr so die Rolle gespielt. Ich habe mich da mehr so, erst mal von dem allgemeinen Fluss führen lassen und nicht von dem Handwerk.

5. Musikalische Aussage

GP 4:

Und wovon ich so profitiert habe, sage ich mal, ist, dass das, was man spielt, wirklich mit einer eigenen Aussage verbunden ist. Also oft, wenn man nach Noten spielt, sage ich jetzt einfach mal so ganz platt, reproduziert man irgendetwas und das hat nicht mehr so diesen musikalischen Gehalt, den es eigentlich haben sollte. Beim Improvisieren ist es ja wirklich die eigene Erfindung in dem Moment. Da muss man die Dinge auch so üüberzeugend musikalisch gestalten, damit das ankommt. Ich denke, dass man das beim Improvisieren auch vielmehr freiwillig macht. Man würde nichts spielen, was man nicht selbst auch wirklich sagen wollte. Das ist wie wenn man eine Rede hält. Man sagt dem Publikum nur das, was man auch wirklich mitteilen wollte. Das ist beim Improvisieren genauso. Das braucht man ja wiederum auch für alles Musikmachen. Dass das eben nicht nur so ein Abspielen von Noten ist, sondern wirklich eine Aussage hat.

6. Musizierpraxis

C. E.:

Ja, das Eigene ist schon echt wichtig. Na gut, es gibt natürlich auch Leute, die improvisieren und haben auch etwas Farbloses in ihrem Spiel. Das gibt es schon auch.

GP 4:

Ja klar. Es ist jetzt nicht – das eine ist das Bessere und das Andere das Schlechtere. Ich denke mir immer: Man kann das eigentlich gar nicht so richtig trennen.

C. E.:

Deshalb habe ich auch in meinem Arbeitstitel von improvisatorischen Handlungsweisen geschrieben, weil ich vermute, dass das nicht auf Improvisation begrenzt sein muss und weil ich auch nicht in die Debatte geraten möchte, ob Improvisation, oder Interpretation oder Komposition besser oder schlechter, wie das andere sind.

GP 4:

Ich finde diese Verbindung wichtig. Wenn wir jetzt nur über Improvisation sprechen würden, wo doch 90 % unserer Musizierpraxis jetzt immer noch im Literaturspiel besteht. An Musikschulen sowieso und im Hochschulbetrieb auch (…)

C. E.:

90% ich würde sagen 98%. Jedenfalls, wenn wir hier mal die Jazzimprovisation ausklammern, weil sie stilistisch sehr viel mehr festgelegt ist.

7. Wahrnehmung und Grenzen in der Herausforderung

C. E.:

Um jetzt noch mal ein bisschen zu meinem Thema zu kommen. Kannst du das beschreiben, ob sich das anders anfühlt, wenn du improvisierst, wie wenn du Stücke spielst?

GP 4:

Ja, es fühlt sich anders an, aber die Frage ist jetzt warum. Also, ich finde beim improvisieren, dass es mehr so an die Wahrnehmung gebunden ist. So in dem Sinne, was höre ich. Meine Wahrnehmung ist irgendwie offener, weil sich ja alles irgendwie auf den Moment konzentrieren muss. Ich bin beim hören zu mindestens etwas aufmerksamer. Ich erwische mich dabei zu mindestens. Dadurch, dass ich nicht überlegen muss, oder nicht so viel planen muss, kommen viele Sachen selbstverständlicher. Ich habe auch das Gefühl, ich kann schwierigere Sachen so einfach spielen. Dafür müsste ich im richtigen Leben üben. Das geht dann da mal so. Natürlich kommt man da auch an seine Grenzen für eine gewisse Zeit und wenn man dann wieder ein bisschen übt, dann kommt man wieder an höhere Grenzen, und so und so. Bei jedem üben ist das so. Aber es geht irgendwie unkomplizierter.

C. E.:

Du meinst jetzt mit üben, dass man einfach so das Instrument übt, oder?

GP 4:

Ne, ich meine auch so beim improvisieren üben. Irgendwann kommt man an eine bestimmte Grenze, wo man merkt, man kommt nicht weiter, dann hört man auf, aber diese Grenze geht ja immer nach oben. Man entwickelt sich ja auch weiter.

C. E.:

Man muss die Grenze nicht auf die Bühne stellen.

GP 4:

Genau, man kann eigentlich unter seiner Grenze spielen. Das halt voll ausreizen.

C. E.:

Man kann doch auch über die Grenze hinaus schießen.

GP 4:

Ja genau, das hatte ich z.B. bei meiner Aufnahmeprüfung in Leipzig, das Glück, dass ich da Sachen gespielt habe, wo ich gedacht habe: wow! (lacht). Bei einem Stück war das so. Ich finde einfach dadurch, dass ich nicht alles voraus berechnen muss, spiele ich selbstverständlicher.

8. Kontrolle der Lockerheit

GP 4:

Um noch mal auf die Bewegungen zurückzukommen. Ich finde, dass die viel selbstverständlicher laufen und dass man sich nicht darauf konzentrieren muss, wie bewegt man sich, weil man sich irgendwie auf den Klang konzentriert. Die Bewegung ist ja im Endeffekt dafür da, dass man diesen Klang erzeugt, so ein Hilfsmittel sage ich mal. Das ist nicht immer so, wenn man spielt, finde ich. Sonst denkt man sich: Da kommen schwierige Doppelgriffe, und da muss ich jetzt aufpassen, dass meine Hand locker ist. Und wenn man in dem Moment denkt: Die Hand muss ja locker sein,  (lacht in sich hinein) dann ist es irgendwie schwierig da auch hin zu kommen.

C. E.:

Kontrolle der Lockerheit.

GP 4:

Genau, und wenn man sich aber einfach beim Improvisieren vorstellt, wie es klingen soll, so Zehntelsekunden vorher, dann passiert das automatisch. Dann muss man nicht mehr überlegen, ist meine Hand jetzt auch locker. Also, es ist mehr untergeordnet. Es ist mehr so, dass ich mich selbst beobachte und nicht dass ich sage: Das muss jetzt locker sein, ich muss die Hand jetzt ganz flach halten oder irgendetwas. Nichts, es muss so sein, sondern wie das jetzt ist.

9. Tempoimpulse

C. E.:

Wie machst du es denn beim improvisieren? Stellst du dir da vorher das Tempo vor?

GP 4:

Ne, definitiv nicht. Das Tempo ist ja untergeordnet.

C. E.:

Wenn du einen schnellen impulsiven Einsatz spielst (singt schnelle Figur). Gibst du dir dann einen Einsatz?

GP 4:

In dem Moment schon, aber dann gibt ja der Einsatz das Tempo und ich weiß in dem Moment noch nicht mal, was da für Töne kommen. Aber das hat irgendwie nichts mit denken zu tun. Man denkt sich das Tempo nicht.

C. E.:

Ich frage mich jetzt gerade noch mal.  Wie geht das beim improvisieren, wenn man sich einen Einsatz gibt. Das ist ja etwas, was direkt in den Körper rein geht. So ein Impuls. Wo kommt der her? Wenn du schon spielst, dann ist es ja auch manchmal so, dass sich das plötzlich ändert.

GP 4:

Auf jeden Fall hat es nichts mit dem Intellekt zu tun. Aber es hat schon was damit zu tun, wie man eine Sache hört. Vielleicht hört man das, was man spielen will noch nicht so als Phrase, oder als Töne. Weil man die Töne, erst in dem Moment so abgreift, oder spielt. Aber man hat schon vorher eine leise Ahnung, ob man jetzt eine langsame Melodie spielt, oder einen scharfen Rhythmus, oder irgendwie marschartig oder so. Es gibt schon so eine Vorahnung. Und ich denke, dass die dann diese Bewegung ausmacht.

10. Menschliche Fähigkeiten

GP 4:

Das finde ich aber auch gerade das Reizvolle an Improvisation, dass ich mich damit so beschäftigen muss. Das ist gleichzeitig eine Lebensschule. Das hat so viel mit dem eigenen Leben zu tun. Und letztendlich kommt das durch die Musik zum Ausdruck. (…) Man lernt noch mehr, wie das Musikalische.

11. Technische Extremsituationen

C. E.:

In der Improvisation muss man nicht immer etwas Neues spielen, sondern vielleicht ändern sich nur einzelne Parameter.

GP 4:

Ja, das musste ich letztens auch und finde es sehr schwer schon alleine leise zu spielen. Man merkt dann erst mal, wie schwer die Dinge sind, die man sonst so Tag täglich für so selbstverständlich hält.

C. E.:

Ja gerade so leise wie möglich und noch klar zu spielen. Wann spielst du sonst so leise?

GP 4:

Ja und dann vor allem so in ein Crescendo und Decrescendo zu gehen, ohne dass du einen Bruch merkst und das du dann aber wieder so leise wirst, wie es am Anfang war, Da hat ja eine Sache schon fünf Schwierigkeiten in sich, an denen man erst mal eine Woche lang üben kann.

C. E.:

Ja und die trotzdem nicht so festgelegt sind, wie wenn es jetzt ein Stück wäre. Da würdest du dich nämlich wahrscheinlich gar nicht so viel für diese Feinheiten interessieren. Und dann ist es natürlich auch so. In diesem leisen musst du auch herausfinden, wie machst du das? Wie machen deine Finger das? Kleine Nuance, wie kann ich diese Taste anschlagen, damit nicht der Ton raus bollert.

GP 4:

Damit eine Fläche entsteht und ohne irgendwelche Akzente. Und da finde ich, da ist dann doch die Bewegung ganz hilfreich. Sich wirklich vor zu stellen, wie fühlt sich das an. Die Gefahr ist ja immer, dass man beim leise spielen, an der Oberfläche bleibt, weil man denkt, man muss leise sein. Das ist vorsichtig und eigentlich da braucht man ja gerade dafür die Körperkraft. Und das Schöne ist, dass man sich nicht auf irgendwelche Töne konzentrieren muss, sondern wirklich auf diese eine Komponente. Und es geht wirklich nur um Dynamik und alles Andere ist egal. Dann konzentriert man sich auch darauf. Würde ich sonst wahrscheinlich nicht so machen. Man konzentriert sich im Stück ja auf viele verschiedene Dinge. Nicht nur auf Dynamik. Und beim improvisieren nimmt man sich öfter vor, sich wirklich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren. Das macht es vielleicht auch so schwer. Ich finde die Übungen auch einfach gut, nur das Ohr daran zu gewöhnen, wie könnten die Sachen klingen, wenn man sich so drauf konzentriert. Wie lange können Pausen sein? Wie weit kann ich eigentlich ins Fort oder ins Piano gehen. Und das Problem ist ja oft, dass das Ohr so an bestimmte Klänge gewöhnt ist. Das einfach sich das ab zu gewöhnen. Wenn man sich auf eine Sache konzentriert, dann muss man alle Möglichkeiten ausloten, dann lernt das Ohr. Ja, habe ich noch gar nicht gewusst, dass ich das auch so spielen kann. Und schon ist etwas Neues da.