Experiment 10 Kurzprotokoll

Datum: 24.06.2012

Dauer des Experimentes 2 Std

Zur Person:

VP 11

Geschlecht: männlich

Alter: Erwachsen

Instrument: Klavier

Vorerfahrung in Improvisation: VP 11 hat zwei Semester an einem Seminar Improvisation teilgenommen. Er ist Musikstudent.

Aus dem Vorgespräch:

VP 11:

Die künstlerische Freiheit beim Improvisieren schlägt sich auch in körperlicher Freiheit nieder. Wenn man Musik, also klassische Musik, die jemand anderes, als der Spieler komponiert hat, umsetzt, dann geht es ja heutzutage nur darum, dass man den Notentext möglichst genau umsetzt. Man darf sich zwar irgendwelche Freiheiten erlauben, aber so beschränkt war das, glaube ich, noch nie in der Musikgeschichte, wie heute. Das bestätigt ja auch die Praxis der Wettbewerbe, dass der gewinnt, der am genausten den Notentext interpretiert. Und der an genau der gleichen Stelle die Dynamik und Phrasierung macht. Und wenn du improvisierst, dann kannst du machen, was du willst und es ist nicht mal falsch. Und diese Freiheit schlägt sich dann vielleicht auch in körperlicher Freiheit nieder. Wenn man diesen Spruch nimmt: Gesunder Körper – gesunder Geist, dann könnte man den vielleicht auch umdrehen: Beim freien Spiel – freier Körper.

Phase 1: Laborraum 1

V 1 (Käfer/Boot)

1. Stück

Musikalische Aufgabe: Zunächst Ostinato, der sich nicht verändern soll.

Hörbeispiel: E10 Phase1.1

2. Stück

Musikalische Aufgabe: Ostinato, der sich in einzelnen Parametern minimalistisch verändern darf.

Hörbeispiel: E10 Phase 1.2

Zusammenfassung des Nachgesprächs

VP 11 bemerkt keine Störung. Er vermutet, dass es daran liegt, dass er als Pianist gewohnt ist, den Kopf zu bewegen, um da und dort auf die Hände zu schauen. Auch ist er gewohnt sich zu drehen, um Kammermusikpartner zu sehen.

 

Phase 2: Laborraum 1

V 2 (Zungenbewegung)

Musikalische Aufgabe: Minimalistische Veränderung eines Ostinatos.

Hörbeispiel: E10 Phase 2

Nachgespräch

VP 11:

Desto anspruchsvoller ich versucht habe, technisch zu spielen, umso schwieriger war es, die Zunge zu kontrollieren. Da, wo z.B. die Triller in der rechten Hand begannen, musste man sich schon anstrengen, noch zu merken, in welche Richtung die Zunge ging.

C. E.:

Bei mir war das schon am Anfang bei den Akzenten. Immer wenn ich einen Akzent gespielt habe, hat die Zunge sich in die andere Richtung bewegt.

 

(…)

Gab es bei dir noch andere Stellen, wo dir das aufgefallen ist?

VP 11:

Ja, wenn ich die Lagen gewechselt habe. Also, wenn ich neue Töne gesucht habe.

C. E.:

Hast du da nachgedacht, dass du die Töne verändern möchtest, oder war es einfach die neue Fingerbewegung?

VP 11:

Ich habe schon nachgedacht, dass ich jetzt die Lage wechseln möchte. Aber einen bestimmten Klang habe ich vorher nicht im Kopf gehabt.

C. E.:

Also, du hast die Entscheidung getroffen: Jetzt nehme ich neue Töne.

VP 11:

ja.

Phase 3: Laborraum 3

V 9 (Motor)

1.      Stück

Impulse aus der Lendenwirbelsäule

Vorgespräch

VP 11:

Ich glaube die Impulse kommen aus dem Körper. Natürlich wird er von der Musik angeregt. Und das ist eine Wechselwirkung, dass der Körper auch die Musik beeinflusst und dass die Impulse aus dem Körper auch unsere Entscheidungen beeinflussen.

Hörbeispiel: E10 Phase 3.1

Nachgespräch

VP 11:

Ich musste überraschend feststellen, dass die Bewegungen immer hinterhergingen. Ich glaube, ich habe doch eher aus meinem Intellekt heraus die Töne getroffen und nicht aus Impulsen aus dem Körper und dann habe ich nach ein oder zwei Sekunden bemerkt: Oh, jetzt muss ich noch eine passende Bewegung machen. Und ich habe das immer wieder vergessen.

C. E.:

Mir ist das auch nicht leicht gefallen. Also, von vorne mit dem Bauch wäre mir das gewohnter gewesen, aber so von hinten…

VP 11:

Ich muss auch sagen, dass ich mir das schon seit langem abgewöhne. Wenn ich spiele, versuche ich eigentlich immer locker sitzen zu bleiben. Und ich kann dem Spiel ganz unterschiedliche Impulse verleihen, ohne dass es von der Seite sichtbar wäre.

2. Stück

Impulse aus dem Ohrläppchen

Hörbeispiel: E10 Phase 3.2

Nachgespräch

VP 11:

Da gelang es mir schon mehr, wirklich die Impulse aus dem Körper zu nehmen.

Phase 4: Laborraum 2

V3 (eine Backe des Gesäßes auf dem Stuhl sitzend)

1. Stück

Hörbeispiel: E10 Phase 4.1

Nachgespräch

VP 11:

Ich habe gemerkt, dass ich immer wieder zwischendurch in die normale Position zurück wollte.

C. E.:

Hast du etwas bemerkt, wie das dein Spielen beeinflusst hat?

VP 11:

Ich fühlte mich irgendwie beschränkt. Irgendwie hat das meine kreativen Möglichkeiten beschränkt. Ich hatte nicht den Zugang zu allen meinen kreativen Möglichkeiten.

C. E.:

Wobei das Stück nicht unkreativ war.

VP 11:

Ja, aber ich musste mich mehr anstrengen.

C. E.:

Das ist ja nicht unbedingt negativ.

VP 11:

Ja, aber es hätte mehr sein können.

 

Zusammenfassung

Ich erkläre VP 11, dass ich beobachte, dass er in den Seminaren und auch in den vorangegangenen Stücken manchmal gewollte Entscheidungen spielt. Z.B. Schlusswendungen oder auch Veränderungen im Duktus der Musik. In dem letzten Stück kamen mir die Übergänge sehr organisch und weniger gesteuert vor.

VP 11:

Ich glaube, ich habe in dem letzten Stück versucht mehr auf dich zu hören.

2. Stück

V3 (andere Backe des Gesäßes auf dem Stuhl sitzend)

Hörbeispiel:  E10 Phase 4.2

Zusammenfassung des Nachgesprächs

VP 11 bemerkt, dass er sich mit dem linken Fuß abgestützt hat, um das Gleichgewicht zu halten. Er fragt mich, wie ich das Stück fand. Ich beschreibe, dass mir die eigenständige Stimmführung gut gefallen hat.