Experiment 4 Protokoll

 

Datum: 05.04.2012

Einleitung

Das Experiment ist die erste Zusammenkunft nach drei Jahren Pause mit der regelmäßigen Proben- und Experimentierarbeit.

Zu den Personen

Anwesend waren VP 5 und VP 6.

Informationen zur Improvisationsgruppe Nordstemmen

Protokoll

Phase 1

Phase 2

Phase 3

Phase 4

Phase 5

Phase 6

Vorgespräch

Während des Vorgespräches erinnern sich die Beiden allgemein an die Erkenntnisse, die sie durch Improvisation für sich gewinnen konnten.

 

VP 6:

Ich habe so gedacht, dass man sich bei Improvisation mobilisieren muss. Und dann hat man solche Gefühle drin, die man sonst bei einfacher Übung nicht hat – bei normaler Notenübung. Und ich habe bemerkt, dass ich das Stück schneller einüben, und besser auswendig lernen kann. Ich habe bei Improvisation irgendwie einen breiteren Blick, als wie wenn ich so an Noten angesteckt bin. Und Erinnerung ist meistens so, wie wenn man mehrere Faktoren so einschließt, umso schneller kann man es sich merken. Aber wenn man das nicht so trainiert und meistens so vom Blatt spielt, so trocken einfach spielt die Noten, dann kann man sich das nicht so gut merken und erinnern. Und Improvisation verbreitert ein bisschen diesen Blick. Nicht so angestrengt. Du siehst das Stück auch, was da geschrieben ist. Es ist so ein bisschen aktiviert, welche Gedanken dahinter stehen und welche Kräfte da so wirken.

VP 5:

Ja, du sagst jetzt, es verbreitert den Blick. Aber es ist für mich nicht nur Blick, in dem Sinne. Du meinst das auch nicht? Sondern dieses Gespür und das Hören.

VP 6:

Ja, Hören und allgemein.

VP 5:

Das ist für mich eben auch etwas ganz Wesentliches, dass das Improvisieren die Wachheit beim Musikmachen einfach total aktiviert. Und dann eben auch dieses Daraufachten, was die Anderen machen. Das ist seitdem viel ausgeprägter für mich. Alleine das schon. Aber natürlich auch das, wie es mir geht. Mein Gefühl dabei. Dass ich mich beim Improvisieren z.B. viel aktiver frage: Was möchte ich jetzt gerade ausdrücken? Und das hat dann auch Rückwirkungen auf die andere Musik. Dass der Ausdruck intensiver wird.

VP 6:

Für mich hat das viel mit Fantasie zu tun. Wenn das Stück fertig ist, du hast immer so ein geschriebenes Stück, immer so eine konkrete Assoziation beim Spielen. Meistens so, wie eine Laune oder so. Aber wenn du improvisierst, dann experimentierst du ständig mit anderen Assoziationen. Du kannst das nie wiederholen. Und dieses Experimentier-Gefühl, das hat man dann auch mehr in Stücken. Ich bin nicht mehr so schmal in meinem Denken. Ich versuche und – da was gibt es da und da? – Durch die Improvisation habe ich viel mehr diese Fantasie. Das verbreitert sich einfach. Du erlaubst dir etwas. Und auch gerade in der freien Improvisation, wo nicht so viel Harmonien und richtige Akkorde – so angestrengt … Da darfst du schräg spielen und manchmal unrhythmisch. – Ich finde das ist so wie ein Hund, der ist immer angebunden und er weiß, er darf da und da und weiter kommt er nicht. Aber bei Improvisation siehst du den Weg und – Oh – da, er läuft. Zurück kommt er sowieso, weil das sein Haus ist. Er wird schon nicht zu weit laufen.

Ich erläutere noch ein Mal das Thema meiner Forschung und den Sinn der Experimente.

VP 6:

Aber ich denke, dass der Impuls doch zuerst aus den Gedanken kommt und dann aus dem Körper. Für mich ist das so. Nicht umgekehrt.

C. E.:

Das ist die Frage. Du kannst es ja nicht trennen.

VP 6:

Ja zusammen ist es sowieso. Aber ich kann mir nicht von meinem Körper einen Impuls geben. Zusammen ist es sowieso. Du kannst nicht deine Hand oder die Finger bewegen. Aber du brauchst erst diese geistige Inspiration. Oh, so ein Gedanke. Der springt so schnell durch den Kopf. Und dann kommt der Körper mit. Und dann muss man den nicht bremsen. Das ist schon so. Aber, ob ich durch den Körper inspiriere? Ich denke nicht.

C. E.:

Das müssen wir einfach ausprobieren, wie das zusammen hängt.

VP 6:

Also Entspannung. Dass der Körper für einen Zweck entspannt ist. Dafür braucht man eine starke Konzentration. Auch Entspannung – ich meine so eine gesunde Entspannung, wo noch etwas los ist, da braucht man schon Konzentration und da passiert so ein Blick, wo du genau das Ziel weißt. Und dann kannst du dich entspannen. Ich weiß jetzt, was hier los ist. Und ich entspanne mich und lasse alle Gelenke in Gang. Aber wenn ich das nicht habe, dann kann ich mich entspannen, aber dann ist nichts los.

C. E.:

Was ist schon Entspannung…

VP 6:

Entspannung ist schon Konzentration. So eine Bewegungsentspannung

VP 5:

Vielleicht nicht Entspannung, sondern eine andere Disponierung von der Einstellung her. Ich versuche in solchen Momenten, wo ich z.B. wirklich etwas spielen soll, was ich noch nicht gut kenne, oder es hören gleichzeitig schon Leute zu, das ist mir auch immer noch unangenehm. Aber ich versuche dann einfach: Ich spiele! Es geht hier jetzt um nichts, außer, dass ich mir das hier erschließe. Das wir jetzt zusammen sind hier. Und so Gedanken, die so einen Stress verursachen, wie: hoffentlich finden die das gut oder so – die lasse ich mir echt scheißegal sein. Und das ist etwas, was ich auch schon sehr lange versuche. Nicht nur beim Musikmachen. Also, dass man eben versucht, eine andere Einstellung zu finden in der Situation. Das man eben bestimmte Faktoren anders bewertet.

VP 6:

Ich habe noch etwas erlebt mit Improvisation. Wir waren in dieser GEDOK . Und ich habe doch immer Angst vor starker Kritik. Wie das aussieht und wie das klingt, und ist das zu lang oder zu kurz, und dann ist ein Mann danach gekom-men und hat gesagt: Das ist so eine Scheiße, was du da gespielt hast. Er hat ge-sagt, dass er Jazz spielt und komponiert und: Wie könnt ihr so etwas spielen? Seid ihr überhaupt professionell? Und ich habe gesagt: Ja, ich kann auch Bach spielen. Er hat gesagt: Ich halte es nicht aus. Ich bin raus gegangen. Und das ers-te Mal hat mir das so gut getan. Ich habe gesagt: Aber ich möchte so eine „Schei-ße“ spielen. (Gelächter) Wenn die Leute so sagen: Das war so schön, so ruhig… auf Dauer ist das zu langweilig.

(…)

Phase 1: Freie Improvisation

Aufgabe

In den Körper hinein spüren. Hörbeispiel: E4 Phase 1

Nachgespräch

VP 5:

Für mich heißt Impuls auch immer etwas Kräftiges. Und es hat sich für mich die Frage gestellt: Wie kann ich auch noch die Vorstellung von Impuls erweitern? Es ist, wie gesagt, für mich etwas Kräftiges und auch etwas Kurzes. Erst mal und dann Abstrich.

(…)

VP 6:

Für mich kamen die Impulse mehr von euch. Ich nehme das immer von draußen. Bei mir ist es so, ich höre immer von draußen den Impuls, dann kommt der Körper und dann die Handlung. Wie bei einem Löwen vielleicht. Aber der hat das schon innerlich, weil er fressen will. Wenn der Löwe fangen will, dann hat er Hunger. Jetzt, heute, habe ich den Impuls von euch von draußen genommen.

VP 5:

Natürlich entstehen die Impulse durch das, was von draußen kommt.

VP 6:

Bei einer Improvisation in der Gruppe kann man nicht, ohne den Anderen zu bemerken. Aber wenn du alleine bist, dann braucht man schon so eine Idee. Ich weiß nicht, Ich weiß nicht, wenn man da sitzt, ob man plötzlich einen Impuls kriegt, wenn man keine Idee hat. Aber in einem Ensemble kriegt man schon einen Impuls.

C. E.:

Trotzdem. Irgendjemand muss ja anfangen. VP 5 hat eben z.B. gleich mit zwei Motiven begonnen. Dann habe ich gedacht: dazu würde jetzt super ein langer tiefer Ton passen. Ich hatte meinen Bogen noch nicht an der Saite, da spielte VP 6 einen langen tiefen Ton. Das ist dann so etwas, was in der Luft hängt.

(…)

Wie war das körperliche Spielgefühl?

VP 6:

Der macht mit. Ich kann wirklich nicht sagen, ob der Körper mir mehr Impulse gibt, oder die Wirkung von draußen. Ist das nicht bei jedem unterschiedlich?

Phase 2: Laborraum 3

Mein Körperteil tanzt und deshalb spiele ich.

V 10 (Dirigent)

1. Stück

VP 6 wählt den oberen Teil des Brustbeins, VP 5 das linke Knie, C. E. die linke Ferse

Hörbeispiel: E4 Phase 2.1

Nachgespräch

VP 6:

Ich war erst mal sehr mit mir selber beschäftigt.

VP 5:

Das ging mir auch so. Ich war erst mal mit dieser Stelle beschäftigt, was die macht, was die will, und was dabei aus dem Instrument raus kommt. Und irgendwo, -wann habe ich gedacht: Eigentlich sind wir ja zu dritt. Und in dem Moment, wo ich angefangen habe, auf euch mehr zu achten, habe ich die Stelle vergessen.

C. E.:

Aber das hast du dann ja offensichtlich gemerkt und dann hast du sie ja nicht vergessen.

VP 5:

Ja, ich habe gemerkt, dass ich sie vergessen habe. Und dann habe ich das gemerkt und dann ging das immer wieder so ein bisschen hin und her. Je länger das Stück dauerte, umso mehr wurde das dann auch eine Einheit.

VP 6:

Man ist nicht so am Kopf orientiert. Man wird bewegt. Bei mir hatte das mit Atem zu tun. Immer wenn ich eingeatmet habe, kam ein neuer Impuls.

C. E.:

Für mich war eben am Schluss ganz klar, wenn ich meine Ferse dahin bewegt habe und wenn ich da angekommen bin, dann geht es nicht wei-ter. Ich habe ja die ganze letzte Phase größere Bewegungen gemacht. Am Anfang war es mehr so am Platz. Und manchmal habe ich auch ge-merkt, dass ich schneller will als die Ferse. Und am Schluss aber war für mich ganz klar: Das ist der letzte Ton und der ist zu Ende, wenn das Bein ausgefahren ist. Dann geht es nicht weiter. Und das passte auch. Ich wusste auch, dass ihr auch am Ende seid.

VP 5:

Ich hatte schon früher einen Schluss, wo ich dachte: das reicht jetzt. Aber ihr habt dann immer wieder weiter gemacht und dann habe ich gedacht: o. k.

 

2. Stück

Ein schwerer zugängliches Körperteil VP 5wählt das linke Auge, VP 6 den siebenten Halswirbel, C. E. den rechten kleinen Zeh Hörbeispiel: E4 Phase 2.2

Nachgespräch

VP 5:

Ich hatte erst mal sehr damit zu tun, zu spüren.

VP 6:

Der Nacken ist nicht meine beste Stelle.

C. E.:

Ich war auch erst mal sehr damit beschäftigt. Mist, wenn ich den kleinen Zeh bewege, bewegen sich alle Anderen. Aber dann war ich irgendwann erstaunt, dass dann so ein Ausbruch kam.

VP 5:

Es war schon deutlich zu merken, dass jeder mit seinem Körperteil zu arbeiten hatte. Jedenfalls bei mir war es so, bis sich das in etwas Hörbares umsetzte, dauerte erst mal.

VP 6:

Aber das wirkt schon. So ein unbeweglicher Körperteil. So für mich. So von ganzer Laune war ich so. Das erste Stück mit Atem war immer wei-ter und weiter und man könnte noch länger und länger machen. Und hier dachte ich: Kann ich machen, aber will ich nicht so.

Phase 3: Laborraum 1

V 1 (Käfer/Boot)

 1.Stück

Käfer und Schmetterling fliegen

Musikalische Aufgabe

Minimale Veränderungen des Ostinato

Hörbeispiel: E4 Phase 3.1

Nachgespräch

VP 5:

Obwohl man so eingeschränkt ist, ist immer noch unheimlich viel los. Ich hatte überhaupt keine Lust meinen Ostinato zu verändern. Ich hatte genug zu tun damit, diese Bewegung irgendwie in Gang zu halten. Obwohl ich tatsächlich solche Sachen phasenweise immer relativ viel gemacht habe. Auch schon als ich die Feldenkrais-Ausbildung gemacht habe. Das ist einfach nur eine leere Saite gestrichen habe und dabei den Kopf so hin und her wandern ließ. Und dann einfach diese Strichrichtung mit den Nackenbewegungen und eben auch den Augen koordiniert habe. Das reicht mir eigentlich schon. Da kann ich stundenlang irgendetwas bei erleben. Irgendwann bin ich dann doch dazu übergegangen, den Ostinato zu verändern. Weil du ja zu den horizontalen Bewegungen, die du beim Streichen machst, und den Kopf so hin und her drehen so seitlich. Ich habe dann nur mit meinen Fingern so zwischen erster und vierter Lage hin und her gerutscht, so dass dann eine Gegenbewegung zu dem waagerechten auch da war. Dann war wieder so viel los, (Gelächter) dass ich dann dachte: Jetzt gleichzeitig, wie fühlt sich das an? Wenn die Bewegungen gleich lang sind, oder wenn eine da weiter geht, wenn die Andere schon aufhört. Also es ist genug, was einen beschäftigt.

C. E.:

Machst du die Kopfdrehung parallel mit dem Streichen?

VP 5:

Nö, verschieden.

C. E.:

Du hast ja quasi drei Sachen: Die Strichrichtung, die Lagenwechsel und die Kopfdrehung.

VP 5:

Das kam am Ende mit den lagenwechseln. Vorher reichte es mir, wenn die einfach irgendwo hängt, wo es sich gut anfühlt.

VP 6:

Ich habe mehr so gehört und gedacht: Was fällt mir so ein? Ich habe mir einfach den Schmetterling vorgestellt. Der ist einfach mal da und da. Ich brauche immer so eine Assoziation. Auf mein Körpergefühl kann ich mich nicht so viel verlassen. Ich schlafe dann einfach ein.

C. E.:

Du hast ja vorher gesagt, dass sich dein Nacken so fest anfühlt. Wie war das jetzt?

VP 6:

Ne! Ganz gut eigentlich. So ruhig.

C. E.:

Das Ding ist ja, wenn du den Nacken bewegst, dann kannst du ihn nicht festhalten.

VP 5:

Ich hatte mir schon vorhin diesen Bereich unterhalb des siebenten Halswirbels ausgesucht. Weil das für mich in den letzten Monaten ein Bereich war, der viel präsenter geworden ist. Es ist irgendwie so, dass ich da das erste Mal Bereiche erreicht habe, die sich bewegen können, die das vorher noch nicht getan haben.

VP 6:

Das ist so wichtig. Das ist wirklich wahnsinnig wichtig. Ich merke das so (Macht Bewegung mit festgehaltenem Nacken) H…das ist bis zu Schmerzen. Das kommt so plötzlich manchmal. Und ich weiß nicht warum. Und wenn das dann weggeht ist alles gut wieder. Und du sagst, dass das freier geworden ist. Das wirklich ein ganz gutes Gefühl. Vor ein paar Jahren war das so stark, dass ich dann zum Osteopaten musste. Jetzt bin ich schon so weit, dass ich das kontrollieren kann, dass ich nicht so verspannt bin. Und eigentlich vielleicht auch durch diese Musik, die wir jetzt machen. Wir haben da bei dir Übungen gemacht. Ich bin so ein Typ, der immer so in einer Spannung da sitzt und wenn ich mich entspanne, dann schlafe ich ein. Ich habe nicht diese Harmonie. Und durch diese Beruhigung und die Musik, da habe ich ein bisschen gespürt. Wo habe ich die Hände, wo ist der Nacken. Ich habe auf mich geachtet.

C. E.:

Mit Entspannung an sich können wir ja auch beim Musikmachen nichts anfangen. Dann wären wir ja wie Mehl- oder Kartoffelsäcke.

VP 6:

Ja, aber es ist doch eine Art Entspannung mit der Musik. Vielleicht so etwas Psychisches, wo man so merkt: Oh – es wird alles so breit. Du fliegst einfach so. Das ist doch keine Verspannung.

 

2. Stück

Musikalische Aufgabe

Viele Wechsel in der Musik

Hörbeispiel: E4 Phase 3.2

Nachgespräch

VP 6:

Ich habe manchmal die Tasten gesehen, obwohl ich die ganze Zeit die Augen zu hatte. Manchmal nicht und dann wieder ein bisschen. Man kommt nicht davon weg, dass man gewohnt ist, irgendetwas Konkretes zu sehen beim Spielen.

VP 5:

Ich fand es erstaunlich, dass diese Kopfbewegung hin und her, wenn ich jetzt von diesem Ostinato weggehe, dass die dann doch immer gerne im Zusammenhang mit dem Gespielten stehen möchte. Also, wenn ich kurze Töne hintereinander spielen will, dass dann eigentlich der Kopf kurze – hintereinander – Bewegungen macht, oder möchte. Und bei langen Steigerungen dann auch so. Und dann habe ich eine gleichmäßige Hin- und Her-Bewegung mit dem Kopf versucht und dann so verschiedene Sachen zu spielen. Vom Rhythmus her und von den Tönen her, und das ist unheimlich schwer. Schwer ist, den Kopf gleichmäßig weiter zu bewegen.

VP 6:

Ja, dann muss man sich anstrengen manchmal.

C. E.:

Und wann stoppt der der Kopf?

VP 5:

Der stoppt gar nicht, sondern der fährt eher in die Musik so mit ein.

VP 6:

Bei so langen Tönen, da möchte man so ruhig bleiben. Da bewegt sich das sowieso. Manchmal auch in die Gegenrichtung, wie ich das möchte. Vielleicht dreht er ganz verkehrt herum.

C. E.:

Das ist schon lustig, wie die Nackenmuskeln mit dem Spiel zusammenarbeiten.

VP 6:

Vielleicht hat das auch mit dem Gehör zu tun.

VP 5:

Ich denke, das könnte auch ein anderes Körperteil sein, wo man so versucht eine gleichmäßige Bewegung zu machen und dann trotzdem mit dem Spielen etwas Vielgestaltiges. Das man dann immer den Impuls hat, dass man die Bewegung von dem anderen Körperteil koordiniert.

 

Phase 4: Laborraum 1

V 2 (Zungenbewegung)

Hörbeispiel: E4 Phase 4

Nachgespräch

VP 6:

Ich hatte das Gefühl, egal, was ihr spielt, ich bleibe bei meinem Ding. Diese Bewegung war so konzentriert, so dass ich sie nicht verlieren wollte. Dieses eine Thema, da möchte ich nicht weg. Dieses – ach, jetzt möchte ich etwas Neues. Das gab es jetzt bei mir nicht. Es hat mir gereicht. Ich brauchte nicht viel Kontraste und so, oder viele Noten, oder irgendwelche Fakturen, Läufe oder so was,

C. E.:

Aber interessant, dass du nicht immer nur das Gleiche gespielt hast.

VP 6:

Ja, ich hatte nur Oktaven. Und dann hatte ich nur zwei Töne. Das hat mir völlig gereicht. Ich hätte noch zwei Stunden die Töne spielen können. Das konzentriert, dass du nicht wegläufst davon, was du da gerade machst.

C. E.:

Das ist interessant, weil du vorhin beschrieben hast, dass du dir oft die Impulse von außen holst und jetzt war das nicht mehr so.

VP 6:

Ja ich bin sehr beeinflussbar. Und jetzt habe ich mich auf diese Bewegung konzentriert und da bin ich nicht mehr so beeinflussbar. Ich höre schon, was da passiert.

C. E.:

Ja sicher. Wir waren ja total zusammen.

VP 6:

Ja, aber es ist nicht ständig etwas Neues. Ich hatte das Gefühl, das ich jetzt bei dem Thema bleibe.

VP 5:

Du meinst, wir waren zusammen?

C. E.:

Ja, natürlich nicht immer.

VP 6: (unterbricht)

Ja, mit CE war ich zwei Mal total zusammen.

C. E.:

Wie Zusammenspiel in einer Improvisation halt so ist. Einen Kontrapunkt richtig setzen ist ja auch Zusammenspiel und Kommunikation.

VP 6:

Ja genau. Ich dachte, wenn ich jetzt tausche, dann tauschen wir alle drei. Aber wen ich jetzt nichts tausche, dann könnt ihr machen, was ihr wollt. Aber wir bleiben bei einem Teil. Ich hatte so das Gefühl, das ich das brauche.

VP 5:

Es ging mir tatsächlich so, dass in dem Moment, wo ich irgendetwas überlegt habe, die Zunge ausgesetzt hat. Wenn ich gedacht habe: Jetzt hast du mal lange genug das Gleiche gemacht und könntest mal etwas Anderes machen, dann ist die Zunge stehen geblieben. (…) Es ist schon irre, wie viel Aufmerksamkeit das nimmt.

VP 6:

Aber das hilft auch zu konzentrieren. Sonst habe ich immer dies: A, die machen doch schon etwas Anderes. Das muss ich doch auch jetzt. Aber diesmal – Ach die machen und ich mache aber meins.(…) Ich dachte immer mit den zwei Tönen: Ich spiele die weiter und es passt immer noch.

Anmerkung

Nach meiner Einschätzung neigt VP 6 dazu, sich an ihre Mitspieler anzuhängen, oder begleitende Flächen zu spielen. Die Aufgabe scheint, sie zu der von ihr selbst beschriebenen und hörbaren Materialbegrenzung und Sicherheit in der autarken Weiterführung angeregt zu haben.

Phase 5: Laborraum 2

V 3 (Eine Backe des Gesäßes auf dem Stuhl sitzend)

Hörbeispiel: E4 Phase 5

Anmerkung zum Hörbeispiel

Die folgende Beschreibung dient zur Orientierung zwischen den beiden Cellostimmen. VP 5 beginnt mit der melodischen Cellostimme. Im zweiten Teil der Improvisation spiele ich sehr hohe, schnelle Figurationen. Im dritten Teil der Improvisation bleibe ich lange auf einem langen Orgelpunkt. Bezeichnend ist die plötzliche Generalpause nach einer Steigerung mit Höhepunkt. Im letzten Teil der Improvisation überwiegen Geräusche. VP 5 setzt die Akzente.

Nachgespräch

VP 6:

Ganz schön unbequem! Ich brauche ja einen Fuß und muss dann mit dem anderen stützen.

C. E.:

Ja, aber cooles Stück.

VP 6:

Ja – und so bequem muss es auch gar nicht sein.

VP 5:

Also, ich habe ziemlich am Anfang meine Pobacke gewechselt, weil ich gemerkt habe, dass das irgendwie ziemlich gewöhnlich ist. Weil ich irgendwie mehr auf der linken sitze, weil man dann mehr mit Rechts ausholen kann. Und dann bin ich auf die Andere gegangen und habe geschaut, ob das irgendwie mehr stört oder mehr neu ist. Aber das fand ich dann gar nicht.

C. E.:

Du musst schon mehr ausbalancieren, wenn du mit einer Pobacke auf dem Stuhl sitzt.

VP 5:

ja, aber das machte mir gar nichts aus.

VP 6:

Du musst irgendwie mehr arbeiten.

VP 5:

Und irgendwie hatte ich dann irgendwie das Bedürfnis etwas zu spielen, was nicht vorhersagbar war. Und ich habe mich dann irgendwie bemüht, die ganze Zeit unvorhersagbar zu sein. Aber das ist unheimlich schwierig.

C. E.:

Warst du für dich selber unvorhersagbar, oder für uns?

VP 5:

Beides wollte ich sein. Weil man doch immer wieder – vor allem, wenn man mit Anderen zusammen spielt, improvisiert, man immer doch wieder reagiert und das immer auch die gleichen Zeitschemen sind, und das eben unheimlich schwer ist davon weg zu kommen.

VP 6:

Ich habe mich überhaupt nicht gefühlt körperlich. Es war so unbequem. Aber ich habe mich wie beim Tanzen gefühlt. Du bist nie lange in einer Lage. Du bist ständig im Wechsel, ständig in Bewegung. Ich tanze manchmal so freitags abends. Und da gibt es auch ständig was Neues. Und jetzt hatte ich das gleiche Gefühl. Du bist nie sicher auf den Füßen. Ich bin ständig in Bewegung.

C. E.:

Das macht natürlich auch musikalisch etwas.

VP 6:

Ja, das ist interessant.

C. E.:

Und das war ja auch ein sehr bewegliches Stück und mit vielen unerwarteten Wendungen. (zu VP 5) Mir war gar nicht klar, dass du das so bewusst gemacht hast.

VP 5:

Ich hatte so ein Bedürfnis.

(…)

Aber wenn wir das nicht absprechen, dann entstehen doch diese Dialoge immer in so einem bestimmten Zeitschema.

VP 6:

Das ist so ein Kommunizieren durch Musik.

VP 5:

Ja, ja, klar. Aber das man da so drin festhängt.

C. E.:

Die Frage ist ja, wie kann man sich selber überraschen?

VP 5:

Und irgendwie kam mir das jetzt so, wo ich so balancieren musste.

C. E.:

Das ist ja auch nicht so ganz von ungefähr. Du bist ja in so was, wo du dich ständig auf jede neue Bewegung neu einrichten musst.

VP 6:

Ja dann kippst du so. Na ja, nicht direkt kippen, aber der Körper braucht ein bisschen Spannung, um etwas zu produzieren. Und dann kannst du nicht sagen, dass du das Stück so kontrollierst, weil du zusätzlich auch mit meinem Körper zu kämpfen. Und ich habe dann keine Kraft mehr, das irgendwie zu kontrollieren.

C. E.:

Und wenn du so mit einer Seite auf dem Stuhl sitzt, dann musst du dein Körperzentrum ausbalancieren, sonst fällst du um. Ich beneide immer die Instrumentalisten, die in jeder Position spielen können. Das geht mit dem Cello und auch am Klavier nicht.

VP 6:

Wenn du auf einem Bein stehst, dann musst du locker sein.

C. E.:

Genau. Und wenn du jetzt sitzt, dann kannst du im Grunde noch spielen, auch wenn du nicht ausbalanciert bist.

VP 5:

Ja, wenn du ein statisches Sitzen hast, dann ist das Spielen auch nicht organisch. Wenn ich an der Spitze bin, dann muss ich auch schon etwas Anderes ausbalancieren, wie wenn ich am Frosch bin. Das ist auch gut so.

C. E.:

Was ich mich halt frage: Wenn wir improvisieren, dann ist ja die Musik ständig in Bewegung. Und vielleicht ist es dann eher so, dass man dieses Ausbalancieren auch sucht. Vielleicht lädt ein fertiges Stück mehr ein, statisch dazusitzen. Beim Improvisieren sitzt man vielleicht eher so ausbalanciert, weil man bereit ist, mal da hin zu gehen und mal dahin und mal da hin.

Phase 6: Freie Abschlussimprovisation

Hörbeispiel: E4 Phase 6

Anmerkung  zum Hörbeispiel

VP 5 spielt die geräuschhafte, experimentelle Stimme.

Nachgespräch

VP 6:

Diese unbequeme Position hat irgendwie gut getan.

Anmerkung

Da VP 6 unter Zeitdruck ist, entfällt das weitere Nachgespräch.